Mein Auslandssemester in Irland
„Das Auslandssemester wird die Erfahrung deines Lebens“ und „Du musst auf jeden Fall ins Ausland“, wurde mir schon seit dem 1. Semester von allen Seiten propagiert. Wann bekommt man schonmal die Gelegenheit in einem anderen Land zu leben, zu studieren und gleichzeitig sein Englisch zu verbessern? Mir war klar, das muss ich einfach mal ausprobieren.
First of all: Nicht alles war super. Zwischendrin packt einen dann doch das Heimweh, Überforderung mit Gruppenarbeiten oder Angst vor einer Coronaquarantäne. Würde ich ein Auslandssemester trotzdem weiterempfehlen?
Let´s start from the beginning
Mitte August, mein Koffer ist gepackt, auf geht’s nach Irland. Ein unterschätztes Land, das vorher noch nie auf meiner Bucketlist stand, aber als einziges englisch sprachiges Land in der EU und nicht weit entfernt von Deutschland ein perfektes Land für ein Erasmus Semester. Um Land und Leute kennenzulernen, habe ich die ersten zwei Wochen einen Roadtrip gemacht und wurde komplett überrascht. Eine wunderschöne Landschaft mit sanften Hügeln, weißen Sandstränden und türkisen Wasser, mehr Schafe als Touristen und unglaublich freundliche Menschen, haben mich vom ersten Moment an überzeugt.
„My pretty little Galway…“
Aus Ed Sheerans Song war mir das Städtchen bereits bekannt, aber in meinen vier Monaten dort habe ich mich sehr in den Ort verliebt. Wer, wie ich, ein Kleinstadtmensch ist, wird sich in Galway richtig wohlfühlen. Überschaubare Gässchen, ein paar alte Gebäude, ganz viele Pubs, Cafés und Restaurants bilden den Stadtkern, umschlossen vom Corrib River und angrenzend an dem Galway Bay. Ab 16 Uhr füllen sich die Straßen mit glücklichen Feiernden. Straßenmusik, Tanzen und Mitsingen gibt es hier jeden Abend und das erste Guinness steht spätestens um vier auf dem Tisch. Die Iren können ausgiebig feiern und die Pubs sind immer gut gefüllt. Auch dort gibt es jeden Abend Livemusik. Zwischen Cranberries „Zombie“, traditionelleren irischen Songs, dem ein oder anderen Whiskey oder Irish Coffee, kann man sich einen lustigen Abend machen. Aber Achtung: Alkohol ist unglaublich teuer und ab Mitternacht wird alles zu gemacht.
Lange Partyabende gab es für mich nicht. Aber das lag teilweise auch an der Angst vor einer Corona Infektion und daran, dass ich eh am nächsten Morgen fit fürs Lernen sein musste. Möglich wäre es aber gewesen.
Campus life at NUIG
Der Campus liegt direkt angrenzend an den Stadtkern, bequem fußläufig zu erreichen und schön im Grünen am Fluss. Das Gelände ist, verglichen zu Pforzheim, riesig. Ich war unglaublich froh, dass es in diesem Semester endlich wieder ein Leben auf dem Campus gab. Klar, einiges war wegen Corona noch eingeschränkt. Zum Beispiel durften sich in der Mensa nur Geimpfte aufhalten und überall herrschte eine Maskenpflicht. Trotzdem war Vieles wieder möglich und man konnte sich gut den ganzen Tag auf dem Campus aufhalten, ohne dass einem langweilig wurde. Es gibt an der NUIG viele von Studierenden organisierte Clubs und Societies. Ob Wander- oder Kayakclub, Dancesociety, Chor oder Buchclub für jeden ist etwas dabei. Und wenn nicht, dann gründet man halt seine eigene Gruppe und trifft sich auf der Wiese zum Frisbeespielen oder geht abends zusammen in die hauseigene Studentenbar.
Hier ein Beispiel von meinem Tagesablauf:
8:00 Uhr aufstehen und fertig machen
9:00 Uhr zu Fuß durch die Stadt zum Campus laufen, entweder unterwegs etwas zum Frühstücken holen oder in der Mensa Rührei und vegane Sausage Rolls essen
11:00 Uhr Vorlesung (entweder in Präsenz oder online)
13:00 Uhr Mittagessen in der Mensa
14:00 Uhr in die Bib um Gruppenarbeiten vorzubereiten, Case Studies durchzuarbeiten, Kapitel zu lesen oder Zusammenfassungen zu schreiben
16:00 Uhr Pause, Chai Latte im Café auf dem Campus trinken, kurz über den grünen Campus laufen
17:00 Uhr wieder in die Bib
18:00 Uhr Irish Dance Kurs auf dem Campus
19:00 Uhr Entweder noch ein Bier in der Campusbar oder mit Freunden in einem Pub in der Stadt treffen
22:00 Uhr entspannt zu Fuß nach Hause
Study, study, study …
Vorweg: Die Klausurenphase in Galway ist bei weitem nicht so schlimm, wie in Pforzheim. Dafür muss man während des Semesters viel mehr machen. Jede Woche musste ich eine Case Study mit meiner Gruppe bearbeiten und abgeben, Vorlesungsbegleitende Lektüre lesen, Recordings anschauen und zusätzliches Material durcharbeiten. Da man in jedem Fach eine Leistung, z.B. eine Hausarbeit, Gruppenarbeit oder Quiz, zusätzlich zur Klausur abgeben muss, ist der Druck am Ende nicht mehr so groß. Allerdings dachte ich, ich könnte an den Wochenenden ein bisschen reisen. Daraus wurde für mich jedoch nichts. Aber ich war schließlich auch zum Studieren da und das, muss ich sagen, hat sich wirklich gelohnt. Ich habe noch nie so viel Interessantes in einem Semester gelernt. Außerdem wurde man auch sehr zum eigenständigen Erarbeiten und Weiterbilden angeregt, was mir gut gefallen hat. Das Beste war aus meiner Sicht das Hybridmodel der Vorlesungen. Man konnte selbst entscheiden, ob man zur Präsenzveranstaltung geht oder sich die Stunde online anschaut. So war es auch möglich, nachträglich sich den Stoff anzuschauen und vor allem zurückzuspulen, wenn man etwas nicht verstanden hat. Auch wenn man selbst sich nicht so gut fühlt oder der Professor eventuell in Quarantäne muss, musste keine Vorlesung ausfallen. Ich hoffe sehr, dieses Model setzt sich auch nach der Pandemie durch. Für mich war es sehr angenehm so zu studieren.
What I would do differently…
1. Nicht direkt ins Stadtzentrum ziehen. Ich wohnte direkt in der Mitte und habe gelernt, dass Livemusic jeden Abend zwar schön und lustig ist, aber auch ziemlich laut. Jeden Abend konnte ich das Mitgegröle von „Zombie“ bis zu meinem Bett hören und wurde nachts von Betrunkenen unter meine Fenster geweckt.
2. Das Studium nicht zu ernst nehmen. Gerade in den Gruppenarbeiten lagen meine Ansprüche sehr hoch, weswegen ich besonders viel Mühe und Zeit reingesteckt habe. Das hat viele Wochenende gekostet, die man dann vielleicht auch hätte für schöner Sachen nutzen können. Am Ende haben die Professoren sehr großzügig bewertet.
But simply the best …
Das Beste am Auslandssemester ist die Möglichkeit mit so vielen verschiedenen Leuten ins Gespräch zu kommen und sie kennenzulernen. So finden man sich in einem Pub an einem Tisch mit einer Belgierin, einer Spanierin, einer US-Amerikanerin und einem Inder wieder, tauscht sich über unterschiedliche Kulturen aus und beseitigt das ein oder andere Vorurteil. In Galway studieren sehr viele Internationals und es gibt gerade zu Beginn des Semesters viele selbstorganisierte Treffen, auf denen man Kontakte knüpfen kann. Aber auch außerhalb der Uni bieten sich viele Gelegenheiten neue Leute zu treffen.
Abschließend muss ich sagen, ja ein Auslandssemester lohnt sich auf jeden Fall. Und ganz egal, für welches Land oder welche Universität ihr euch entscheidet, die Erfahrung in einem fremden Land neue Freunde zu finden, werdet ihr überall machen.
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