Ist in Zeiten von Corona ein Auslandssemester überhaupt möglich und sinnvoll? Diese Frage beschäftigte mich nach meinem Praxissemester sehr, weshalb ich mir zuerst nicht sicher war, wie ich mich entscheiden sollte.
Es antreten? Nach Frankreich reisen, in ein Risikogebiet mit hohen Infektionszahlen? Oder lieber Zuhause in Deutschland bleiben und den Online-Unterricht verfolgen? Würde es sich in diesem Fall überhaupt nach einem Auslandssemester anfühlen? Sollte ich das Auslandssemester vielleicht doch eher verschieben und erst nächstes Semester angehen, wenn die ganze Lage sich hoffentlich wieder beruhigt hat? Und in der Zwischenzeit dann ein Urlaubssemester einbauen oder meine Thesis vorziehen? Fragen über Fragen…
Eigentlich hatte ich mich doch so gefreut auf Angers, die Uni, Bekannt- und Freundschaften. Auf das richtige Semester eben, nur in Frankreich. Doch Corona macht es einem damit nicht so leicht.
Da sich wohl ganz viele von euch auch diese Fragen stellen, möchte ich gerne meine Erfahrung mit euch teilen. Vielleicht ist es ja für den Ein oder Anderen hilfreich.
Sommer 2020 – da stand ich also nun, vor einer großen Entscheidung, die Auswirkungen auf mein gesamtes Studium haben könnte. Wenn ich mich für eine Verschiebung entscheiden würde, hieße es, mein gesamtes Studium verlängert sich um ein Semester. Das war nicht gerade meine Vorstellung und so nicht geplant. Außerdem hatte ich mich gefreut auf Frankreich. Da macht mir doch so ein Virus keinen Strich durch die Rechnung, dachte ich mir. Es stand also fest, ich werde das Auslandssemester auf jeden Fall antreten. Doch in welcher Form? Ich entschied mich abzuwarten, ob es möglich ist, nach Angers zu reisen. Wenn ja, dann würde ich Anfang Januar umziehen. Wenn nicht, dann müsse ich wohl Zuhause bleiben und den Online-Unterricht verfolgen. Es hieß also abwarten, was die Regierung sagte und die ESSCA uns mitteilte. Insgeheim hatte ich natürlich gehofft, fahren zu können. Denn vor Ort in Angers zu leben, wäre eine ganz andere neue Erfahrung.
Yippie, auf geht`s
Mitte November habe ich dann Bescheid bekommen, dass es möglich ist, nach Frankreich zu reisen. Also machte ich mich am 07. Januar auf den Weg. Vollgepackt ging es für mich zuerst mit dem Zug von Karlsruhe nach Paris Gare de L’Est und anschließend vom Bahnhof Paris Montparnasse nach Angers. Im Studentenwohnheim angekommen, richtete ich in den darauffolgenden Tagen erstmal in aller Ruhe mein 9m2 Zimmer ein und machte mich auf erste Stadterkundungstouren. Wo befinden sich die Supermärkte, Bäckereien, wo das Schloss und andere Sehenswürdigkeiten?
Dann startete auch schon das ESSCA Orientation Webinar via Microsoft Teams, indem den Internationals alles Wichtige rund ums anstehende Semester erklärt worden ist. Wir bekamen unseren Stundenplan und los ging`s schon mit den Online-Vorlesungen. Die Ersten waren auf jeden Fall doch etwas ungewohnt. Zum Einen dauert eine Vorlesung an der ESSCA grundsätzlich 3 Stunden und zum Anderen musste ich erst einmal reinkommen, den französischen Kursen, die ich gewählt habe, zu folgen. Denn zu Beginn sprachen die Professoren gefühlt rasend schnell. Das war zuerst ein ganz anderes Niveau als das Französisch, dass ich von den Vorlesungen an der HS kannte. Doch nach ein paar Tagen hat man schon eine deutliche Verbesserung mitbekommen und kam von Mal zu Mal immer besser mit. Die Professoren waren auch sehr hilfsbereit und haben Rücksicht auf die Internationals genommen. Das war beruhigend und so machte der Unterricht ziemlich viel Spaß. Insgesamt sieht das Studium in Angers etwas anders aus als an der HS. Es herrscht Anwesenheitspflicht und es wurde viel Wert auf die sogenannte « Contrôle continu » gelegt. Das heißt, wöchentlich waren 2 bis 4 kleine Präsentationen zu einem Fallbeispiel vorzubereiten und in der nächsten Vorlesung vorzustellen. Oder mehrere Ausarbeitungen wurden geschrieben. Des Weiteren sahen einige Kurse online QCM’s vor, Multiple Choice Tests nach Vorlesungseinheiten, damit das Wissen quasi kontinuierlich wiederholt wird. Das Semester dauerte 3 Monate und war daher auch eher ein Trimester. Am Ende fanden in einer Woche die 3-stündigen Abschlussklausuren statt. Diese wurden auch alle online mittels Moodle und Teams geschrieben. Dieses Prinzip war mir ganz neu, hat aber gut funktioniert und die ESSCA hat dies gut umgesetzt in Zeiten von Corona.
Ab Mitte Februar wurde auch eine neue Regelung in Kraft gesetzt, und zwar, die Möglichkeit, einmal die Woche Präsenzunterricht zu haben.
Dies war eine tolle Möglichkeit, seine KommilitonInnen zu sehen, denn der Online-Unterricht hat Gespräche untereinander nicht wirklich zugelassen. Aber trotz des Präsenzunterrichts, waren die klassischen Bekannt- /Freundschaften und Unternehmungen, wie man sie vor dieser Zeit kannte, nicht richtig möglich. Das war eine Einschränkung von Corona. Daneben gab es noch die Ausgangssperre, welche dort schon um 18 Uhr oder um 19 Uhr (ab April) startete. Leider hatten auch alle Museen und das Schloss zu, sowie ab April alle Läden, außer Lebensmittel und anderen Ausnahmen. Nach meinen Klausuren hatte ich auch ursprünglich geplant, andere Städte wie Nantes, Rennes, Le Mans und Paris zu besuchen, doch in der aktuellen Pandemie kam es anders. Eine neue Verordnung besagte, dass man sich nur noch in einem Radius von 10 km bewegen durfte, somit wurde aus den geplanten Städtetrips leider nichts.
Alles in Allem bin ich aber sehr zufrieden mit meiner Entscheidung, das Auslandssemester angetreten zu haben und nach Angers gegangen zu sein. Auch wenn es durch Corona ein paar Restriktionen gab, hatte ich die Möglichkeit vor Ort die französische Kultur kennen zu lernen. Denn durchs Einkaufen gehen, Stadt und Sehenswürdigkeiten (wenn auch nur von außen) zu besichtigen oder mit dem Baguette unterm Arm durch die Stadt zu laufen, war meiner Meinung nach genau das, was ein Auslandssemester auch ausmacht und zudem in Zeiten von Corona möglich ist.
Von dem her kann ich es jedem nur empfehlen, euch die Chance auf ein Auslandssemester nicht entgehen zu lassen, nur weil es wegen Corona eingeschränkt ist. Ihr werdet trotzdem einzigartige Erfahrungen machen und euch positiv in eurer Selbstständigkeit und Persönlichkeit weiterentwickeln.
Und weil ich einige Sehenswürdigkeiten nicht besichtigen konnte, wie das Schloss beispielsweise, ist das nur mehr ein Grund, die wunderschöne Stadt noch einmal zu besuchen, wenn das Reisen wieder möglich ist.
Eure Karolina 😊
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